Illegale Videoüberwachungen im Einzelhandel

 Das OLG-Stuttgart stärkt die Rechte der Kunden

Das OLG Stuttgart (12 U 296/20) hat die Videoüberwachung in einem Supermarkt für rechtswidrig erklärt. Nach Ansicht des Gerichts sei die pauschale Feststellung, die Videoüberwachung sei zur Gefahrenabwehr sowie zur nachträglichen Strafverfolgung erforderlich, nicht ausreichend. Es bedürfe vielmehr einer Prüfung, ob auch weniger einschneidende Maßnahmen ausreichend sein können (z. B. andere Raumaufteilung, Einsatz von Sicherheitsmitarbeitern etc.).

Während des Verfahrens war auch streitig, wer was beweisen muss: Muss der Kunde die Illegalität  der Videoüberwachung nachweisen oder der Supermarktbetreiber die Legalität der Videoüberwachung ?

Das OLG-Stuttgart stellte klar, dass den Betreiber der Video-Überwachungsanlage und nicht  den Kunden die Beweislast für die Rechtmäßigkeit trifft.

Das OLG verwies auf die Rechenschaftspflicht im Datenschutz, Art. 5 Abs. 1 DSGVO. Demnach muss der Verantwortliche (also alle Unternehmen) die Rechtmäßigkeit jeglicher Datenverarbeitung nachweisen können. Die Vorschrift gilt primär gegenüber den Aufsichtsbehörden im Datenschutz. Das OLG Stuttgart meint dazu aber: Es ist nicht ersichtlich, dass diese Pflicht nicht auch gegenüber dem von der DSGVO geschützten Bürger gelten soll.

Damit öffnet das Gericht ein wenig die Büchse der Pandorra, meinte in einer Pressemiteilung  ein Rechtsanwalt, der sich offensichtlich mit Datenschutz auskennt. Denn damit könnte jeder Bürger, der eine Datenschutzverletzung in Sachen Videoüberwachung bei einer Firma feststellt, klagen  und im Rahmen eines Gerichtsverfahrens muss dann die Firma beweisen, dass alles legal gemacht wurde.



Weitere Hinweise finden Sie auf der Seite der Deutschen Datenschutzhilfe e.V., die Sie als Verbraucher auch unterstützt, wenn Sie rechtliche Schritte gegen eine illegale Videoüberwachung einleiten wollen.


Videoüberwachung nur für konkret festgelegte Zwecke erlaubt

 

Einem aufmerksamen Betrachter dieses Blogs ist aufgefallen, dass der erste Post auf diesem Blog vom 14.5.2010 ein Thema behandelt, das bis zum heutigen Datum 17.12.2021 nur von den allerwenigsten Betreibern einer Videoüberwachung wahr- und ernst genommen wird.

Laut §4 BDSG (früher §6) ist eine Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen nur erlaubt, wenn konkrete Zwecke bestehen und es dafür auch einen Nachweis gibt, nämlich eine sogenannte "Vorfallsdokumentation". 

Seit  dem Jahre 2001 ist  übrigens die  Vorabkontrolle  vor der Installation einer Videoüberwachung vorgeschrieben, die damals von Thilo Weichert ins Leben gerufen wurde.

Studien haben nun ergeben , dass ca 80-90 % aller Videoüberwachungen ohne die Angabe eines bestimmten Zweckes für jede Kamera erfolgen , wodurch fast alle Videoüberwachungen nicht datenschutzkonform sind und somit illegal betrieben werden.

Was ds nach dem Urteil des OLG-Stuttgart nun bedeuten kann , bitte hier nachlesen: Illegale Videoüberwachung in einem Supermarkt


§4 BDSG

(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie

3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

(2) Der Umstand der Beobachtung und der Name und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sind durch geeignete Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennbar zu machen.

Die neue europäische Leitlinie (2019) betont den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da jede Videoüberwachung mit einem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte verbunden ist, muss ihr stets ein berechtigtes Interesse des Kamerabetreibers zugrunde liegen. Dieses Interesse muss objektiv vorliegen, das heißt, bei einer Videoüberwachung aus Sicherheitsgründen müssen stets auch tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefahr für Leib, Leben oder Sachgüter vorliegen. Die Leitlinie stellt klar,dass ein rein subjektives Sicherheitsgefühl nicht mehr genügt, um eine Videoüberwachung zu rechtfertigen.

EDPB Guideline Video devices –
Europäische Leitlinie zur Videoüberwachung

20.  Das legitime Interesse muss real existieren und muss ein aktuelles Thema sein (d.h. es darf nicht fiktiv oder spekulativ sein). Es muss eine reale Notsituation vorliegen - wie z.B. Schäden oder schwere Vorfälle in der Vergangenheit - bevor mit der Überwachung begonnen wird. Angesichts des Prinzips der Rechenschaftspflicht wären die Kontrolleure gut beraten, relevante Vorfälle (Datum, Art und Weise, finanzielle Verluste) und die damit verbundenen Strafanzeigen zu dokumentieren. Diese dokumentierten Vorfälle können ein starker Beweis für die Existenz eines legitimen Interesses sein. Das Vorhandensein eines legitimen Interesses sowie die Notwendigkeit der Überwachung sollte in regelmäßigen Abständen (z. B. einmal pro Jahr, je nach den Umständen) neu bewertet werden..


24. Personenbezogene Daten sollten angemessen, relevant und auf das beschränkt sein, was für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist („Datenminimierung“), siehe Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c. Vor der Installation eines Videoüberwachungssystems sollte der Controller immer kritisch prüfen, ob diese Maßnahme zum einen geeignet ist, um das gewünschte Ziel zu erreichen, und zum anderen angemessen und für seine Zwecke notwendig ist. Videoüberwachungsmaßnahmen sollten nur dann gewählt werden, wenn der Zweck der Verarbeitung mit anderen Mitteln, die die Grundrechte und -freiheiten der betroffenen Person weniger beeinträchtigen, nicht angemessen erfüllt werden kann.

 




 Hinweisschild seit 25.5.2018

Planungshilfe zu  einer datenschutzkonformen Videoüberwachungsanlage 

Mai 2010
Bevor Sie anfangen zu projektieren, fragen Sie, was die Aufgabenstellung ist  oder das Problem, das gelöst werden soll und wie viel Kosten dieses Problem  derzeit  verursacht. Dann wissen Sie auch recht schnell wie viel Geld für eine Problembeseitigung investiert werden kann. 

Wenn keine konkrete Aufgabenstellung oder kein Problem (Zweck*) vorliegt, so besteht in aller Regel auch keinen Bedarf an einer Videoanlage und laut Datenschutz, darf dann auch gem. §4 BDSG-neu keine Videoüberwachung  installiert werden. 

(* Der Zweck der Videoanlage muss laut BDSG in einer  Datenschutzdokumentation schriftlich festgehalten werden.) 

Vor der Installation sollte der Betreiber eine Vorabkontrolle durchgeführt haben, um festzustellen, ob es nicht auch mildere(andere) Mittel gibt , um das Problem zu lösen. 

(Seit dem 25.5.2018 ist zusätzlich auch  eine Datenschutzfolgenabschätzung erforderlich)  Ein  informierter und geschulter Installateur/Errichter/Kassenhändler stellt dem Betreiber aber alle für BDSG und DSGVO erforderliche Unterlagen bereits mit der Auftragsbestätigung zur Verfügung. 

Es ist zwingend vorgeschrieben, dass die Mitarbeiter über Art und Umfang der Videoüberwachung informiert worden sind und deren Erklärung und Einverständnis auch schriftlich vorliegt.

Illegale Videoüberwachung in einem Supermarkt




Sie wollen einen guten Eindruck bei Ihren Kunden hinterlassen, das geht, wenn Sie sich um den Datenschutz kümmern.

Das OLG-Stuttgart stärkt die Rechte der Kunden

Das OLG Stuttgart (12 U 296/20) hat die Videoüberwachung in einem Supermarkt für rechtswidrig erklärt. Nach Ansicht des Gerichts sei die pauschale Feststellung, die Videoüberwachung sei zur Gefahrenabwehr sowie zur nachträglichen Strafverfolgung erforderlich, nicht ausreichend. Es bedürfe vielmehr einer Prüfung, ob auch weniger einschneidende Maßnahmen ausreichend sein können (z. B. andere Raumaufteilung, Einsatz von Sicherheitsmitarbeitern etc.).

Während des Verfahrens war auch streitig, wer was beweisen muss: Muss der Kunde die Illegalität  der Videoüberwachung nachweisen oder der Supermarktbetreiber die Legalität der Videoüberwachung ?

Das OLG-Stuttgart stellte klar, dass den Betreiber der Video-Überwachungsanlage und nicht  den Kunden die Beweislast für die Rechtmäßigkeit trifft.

Das OLG verwies auf die Rechenschaftspflicht im Datenschutz, Art. 5 Abs. 1 DSGVO. Demnach muss der Verantwortliche (also alle Unternehmen) die Rechtmäßigkeit jeglicher Datenverarbeitung nachweisen können. Die Vorschrift gilt primär gegenüber den Aufsichtsbehörden im Datenschutz. Das OLG Stuttgart meint dazu aber: Es ist nicht ersichtlich, dass diese Pflicht nicht auch gegenüber dem von der DSGVO geschützten Bürger gelten soll.

Damit öffnet das Gericht ein wenig die Büchse der Pandorra, meinte in einer Pressemiteilung  ein Rechtsanwalt, der sich offensichtlich mit Datenschutz auskennt. Denn damit könnte jeder Bürger, der eine Datenschutzverletzung in Sachen Videoüberwachung bei einer Firma feststellt, klagen  und im Rahmen eines Gerichtsverfahrens muss dann die Firma beweisen, dass alles legal gemacht wurde.

Hier der Link zu vollständigen Pressemitteilung eines Rechtsanwaltes, der die veränderte Sachlage für Videoüberwachungen  in öffentlich zugänglichen Räumen durchaus richtig erkannt hat.


Auszug aus dem Urteil

14 (3) Weiter fordert § 4 Abs. 1 Satz1 Nr. 3 BDSG aber, dass der Zweck (vorher) konkret (und formgerecht) festgelegt sein muss. Die Festlegung muss zu Beginn der Maßnahme erfolgen. Ansonsten würde die Anforderung ins Leere laufen, wenn stets im Nachgang der passende Zweck „konstruiert“ werden könnte. Erforderlich ist eine Dokumentation des Zwecks. Die Pflicht zur konkreten Festlegung dient der Überprüfung der Maßnahme durch den Verantwortlichen vor ihrer Durchführung und soll die Überprüfung durch die Datenschutzbehörden ermöglichen. Für den Zulässigkeitstatbestand der Wahrnehmung berechtigter Interessen spielt dies eine erhöhte Rolle, da sonst dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht ausreichend Rechnung getragen würde. Der konkrete Zweck der Datenverarbeitung ist hinreichend präzise zu benennen. Eine bloße Aufführung des Zwecks als „zur Gefahrenabwehr“ oder „zur Strafverfolgung“ genügt diesem Erfordernis nicht.

Anmerkung:  Die Dokumentation des Zweckes für jede einzelne Kamera muss im Informationsaushang gem, Art. 13 DSGVO jedem  Kunden auf Verlangen zur Einsicht vorgelegt werden. Wenn auf dem Hinweisschild nicht auf einen Informationsaushang gem. Art. 13 DSGVO hingeweisen wird oder wenn Ihnen der Informationsaushang auf Anfrage nicht vorgelegt werden kann, dann können Sie davon ausgehen, dass die Videoüberwachung illegal ist. 

Wenn Ihnen ein Informationsaushang vorgelegt wird auf dem pauschal irgendetwas von Hausrecht oder Schutz des Eigentums steht und nicht jede einzelne Kamera detailliert aufgeführt ist, dann ist die Videoüberwachung auch nicht rechtmäßig

24 Nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO ist der Verantwortliche für die Einhaltung der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 DSGVO) verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“).

Hier kann man das komplette  OLG -Urteil nachlesen

https://openjur.de/u/2360262.ppdf

OLG Stuttgart: 12 U 296/20 Videoüberwachung im Supermarkt vom 18.05.2021


Erwägungsgrund 39 Grundsätze der Datenverarbeitung

Jede Verarbeitung personenbezogener Daten sollte rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgen. ........... Insbesondere sollten die bestimmten Zwecke, zu denen die personenbezogenen Daten verarbeitet werden, eindeutig und rechtmäßig sein und zum Zeitpunkt der Erhebung der personenbezogenen Daten feststehen. Die personenbezogenen Daten sollten für die Zwecke, zu denen sie verarbeitet werden, angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke ihrer Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein. 



Ein Hinweisschild Videoüberwachung

datenschutzkonform und  richtig? 

(zulässig)     oder    (unzulässig) 


Wenn Sie das Urteil des OLG-Stuttgart aufmerksam gelesen haben, dann finden Sie die passende Antwort.